Be-Stimmungen zum Aufbau des Blogs

Dieser Blog enthält

1) Sachtexte: Hausarbeiten, Leserbriefe, Bemerkungen und andere wissenschatliche bzw. essayistische Texte und Rezensionen.

2) literarische Texte: Gedichte, Geschichten, sog. Kryptae (kurze prägnante Texte im Stil von "Die Schlange fragte...") und sog. Minuties (flash-fiction, Kürzestgeschichten, was in einigen Minuten gelesen werden kann).

3) sonstige Texte: Geburtagswünsche, Tagebuchähnliches, Be-Stimmungen etc.

4) Vorankündigungen meiner Veröffentlichungen

5) das Gedicht des Tages

Viel Vergnügen.


(c) LaScriba

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Donnerstag, Oktober 26, 2006

die Lust -2

neben an
(von dem Mann der allein lebt)

das schreiende Kind von nebenan
ich höre es nicht
doch, mit Gefühlsreizung und gleichzeitig
denken: es reizt mich
ich höre es nicht gern
abends besonders abends
das schreiende Kind von nebenan

ich höre es und kanns doch nie gut sehen
und -Schauder- Bilder gehen mir durch und durch
die Uhren ticken
abends besonders abends
das schreiende Kind von nebenan

ich fühle es undFeude Freude spenden
verwehrt
wo sind meine ungeborenen
Träume sind Alpträume
Genesis als Flucht
das schreiende Kind
von
neben an

ich höre es nicht

die Last - 1

neben an
(von der Frau die allein lebt)

das schreiende Kind von nebenan
anich höre es nicht gern
Mitgefühlsreizung und gleichzeitig

denken: das reizt mich
ich höre es nicht gern
abends besonders abends
das schreiende Kind von nebenan

ich höre es und habs doch nie gesehen
und Horrorbilder gehen mir durch und durch
die Uhren ticken
abends besonders abends
das schreiende Kind von nebenan

ich fühle es und Trost spenden
verwehrt
wo sind meine Ungeborenen
Träume und Alpträume
Genetik als Fluch
das schreiende Kind
von
neben an

ich höre es nicht

Minuties again (the flash-fiction version)

literarischer Text

Arbeit macht frei.
Ich bin arbeitslos.






Brautkleid zu verkaufen.
Nur zweimal getragen.

Montag, Oktober 09, 2006

Stumpf

Letzten Mittwoch hab ich sie gesehen. Luisa. Ich meine, ich sehe sie öfters, klar, im Büro, im Gang, beim Essen in der Kantine oder im Fahrstuhl. Man nickt sich zu, wünscht vielleicht auch mal ein schönes Wochenende, mehr nicht. Ihr Büro liegt in einem anderen Flur, etwas abseits von meinem. Jedenfalls habe ich Luisa noch nie richtig gesehen, verstehen Sie was ich meine? Das wurde mir da klar. Es war fünf Uhr Nachmittag, kurz vor Feierabend und ich hatte es naturgegebenermaßen eilig. Der Kopierer in unserem Flur war defekt und ich hatte den im anderen Flur nehmen müssen. Es dauerte länger, denn ich hatte die Sortierfunktion vergessen und durfte ein paar hundert Kopien von Hand ordnen. Während ich heftete, tackerte und wartete, blickte ich die Wand entlang. Die Tür ihres Büros war halb geöffnet, durch den Spalt sah ich Luisa mit dem Rücken zu mir im Halbdunkeln an ihrem Schreibtisch stehen. Ich wollte auf die Uhr hinter ihr schauen, aber etwas irritierte mich. Luisas Haltung war merkwürdig, verkrampft und ihre rechte Hand bewegte sich hektisch. Ich konnte nicht sofort erkennen, was sie da machte. Ein elektrisches, sirrendes Geräusch war zu hören und kleinere Fetzen fielen auf ihren Schreibtisch. Luisa spitze ihren Bleistift mit einem dieser neumodischen elektrischen Anspitzer. Mir fiel ein, dass sie als eine der wenigen im Büro mit Namen bedruckte Stifte benutzte, worüber sich die anderen lustig gemacht hatten. Luisa drückte den Stift gegen den Spitzer, es sirrte und knisterte. Ich mag diese Spitzer nicht, es sieht immer aus, als ob sie die Stifte auffressen würden, mir sind die zum Kurbeln lieber. Ich bemerkte, dass zu viele Holzspäne und grüne Lacksplitter auf den Tisch fielen. Überhaupt lagen massenhaft von diesen halb gerollten Holzfetzen auf ihrem sonst penibel aufgeräumten Schreibtisch verstreut. Ganze Haufen davon. Sie musste zig Stifte gespitzt, bis zum letzten Rest gespitzt haben. Ich hatte die Vision davon, wie sie seit Stunden den Anspitzer mit einem Stift nach dem anderen fütterte und … Ich bewegte mich etwas zur Seite, um besser sehen zu können und einer der Stapel Kopien rutschte mir weg. Ich griff danach und das Geräusch veränderte sich. Ich blickte hoch, die Maschine surrte jetzt mit beinah schmatzenden Lauten. Keine Späne fielen und dennoch drückte Luisa weiter gegen den Spitzer. Rotes floss das Metall herunter, tropfte auf ihren Schreibtisch. Ich ließ die Kopien fallen und sie hörte das Rascheln. Ihr Kopf schnellte herum und sie sah mich an. Luisa sah mich an. Wie im Reflex hob ich die Hand, wollte ihr mechanisch zunicken und spürte ein krampfhaftes Grinsen auf meinem Gesicht, Luisa drehte ihren Oberkörper mir zu und öffnete leicht ihre Lippen. Mein zitterndes Lächeln erstarb. Ich konnte sehen, dass sie noch immer ihre Finger in die Maschine drückte und ihre Augen … Luisa lächelte mich an und machte eine Bewegung auf die Tür zu. Panisch tat ich einen Schritt zurück, stolperte über den Stecker des Kopierers und ihre Tür schlug zu. Schwindlig und schwer atmend lehnte ich an der kühlen, rauen Wand neben dem Kopierer, der weiter Kopien ausspuckte. Schwankend bückte ich mich und sammelte sie ein, kreuz und quer, wie sie lagen. Ich konnte nicht klar denken, mir war neblig zumute. Ich musste mich geirrt haben, nicht richtig gesehen haben im Halbdunkel des Büros. Mit einem fahrigen Blick zur Tür, ihrer Tür, (sie bebte, meine Augen bebten, ich fühlte die Adern pochen), raffte ich schnell die Vorlagen aus dem Kopierer zusammen und hastete davon.
Ab und zu sehe ich Luisa noch im Büro, im Gang, in der Kantine beim Essen, im Fahrstuhl. Aber nie allein, ich bin nie allein. Ich werde kündigen, wenn sie mich noch einmal ansieht.