Be-Stimmungen zum Aufbau des Blogs

Dieser Blog enthält

1) Sachtexte: Hausarbeiten, Leserbriefe, Bemerkungen und andere wissenschatliche bzw. essayistische Texte und Rezensionen.

2) literarische Texte: Gedichte, Geschichten, sog. Kryptae (kurze prägnante Texte im Stil von "Die Schlange fragte...") und sog. Minuties (flash-fiction, Kürzestgeschichten, was in einigen Minuten gelesen werden kann).

3) sonstige Texte: Geburtagswünsche, Tagebuchähnliches, Be-Stimmungen etc.

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Viel Vergnügen.


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Freitag, April 27, 2012

zum Grass-Gedicht

Wieso man auch zu bemüht sein kann


das von mir im vollen Wortlaut im vorherigen Post veröffentlichte Grass-Gedicht wurde von mir eigentlich nicht absichtlich in die eher an Prosa-Text erinnernde Formatierung gesetzt (ist so passiert) - demonstriert aber eigentlich mein Hauptargument exquisit: Grass-Gedicht ist .... kein Gedicht.

Nun sind von verschiedener Seite, durchaus auch übertrieben oder gar hysterisch - Argumente gegen dieses Gedicht vorgebracht worden (=antisemitisch, vom exSS-Mann Grass, der es auch besser wissen sollte etc.). Auch PRO lassen sich diverse Punkte anführen (Meinungsfreiheit, seine Argumente im Gedicht sind teilweise nachvollziehbar etc.).
Aber - der wichtigste Aspekt wird meist übersehen. Grass Text ist kein Gedicht. Wo sind die poetischen Formulierungen? Wo der literarische "Wert"?
Nein, hier hat einer, der es besser wissen sollte, die Gedicht-Form und das Gedicht-Mäntelchen genutzt, um wieso auch immer (!) seine Meinung zu einem sehr diffizilen und schwerwiegenden Problem zu äußern.
Nicht verboten - und häufig haben Dichter sog. tendenzielle Gedichte als Form gewählt.
Aber: Grass muss es besser wissen. Wieso gerade er, mit seiner Vergangenheit, meint - er müsse sich gerade jetzt als Moralapostel aufspielen und dann (!) noch nicht mal den Mut und die literarische Ehrlichkeit besitzt, diese Meinung und die Argumente in Essay-Form oder ähnliches zu packen, ist erbärmlich.

Eine ganz kleine Anmerkung am Rande zu Grass' Argumenten: wieso wird bei Israels Atombombe und Israels Drohungen nicht genauso reagiert wie bei Irans? ... Klar, die Politik ist subjektiv, ungerecht und heuchlerisch (u.v.a.) - aber: liegt es vielleicht, Herr Grass, auch daran, dass wir von einer stabilen Demokratie einfach trotz allem weniger Gefahr erwarten? Es eben doch ein Unterschied ist, ob Israel sich (momentan vorallem rhetorisch) verteidigen will oder ein Land wie der Iran in Angriffs-Rhetorik verfällt?
Aber - okay: wir erwarten von einer Demokratie wie Israel, mit all ihrer Erfahrung - eben auch, dass sie "besser" handeln, dass sie sich nicht auf das sagenwirmal rhetorische und handlungspragmatische Niveau von fanatischen Dikaturen begeben (ob das nun Iran oder sonstige Länder betrifft).
Dies gilt übrigends auch für Länder wie den USA - wir legen strengere Maßstäbe an.

Und diese Maßstäbe sind auch für Deutschland mit recht strenger: gerade ein deutscher Schriftsteller sollte etwas mehr Fingerspitzengefühl haben.
Und nicht politische Traktate als Gedicht tarnen wollen.




 das umstrittene Günter-Grass-Gedicht

 Was gesagt werden muss
„Warum schweige ich, verschweige zu lange, was offensichtlich ist und in Planspielen geübt wurde, an deren Ende als Überlebende wir allenfalls Fußnoten sind.

Es ist das behauptete Recht auf den Erstschlag, der das von einem Maulhelden unterjochte und zum organisierten Jubel gelenkte iranische Volk auslöschen könnte, weil in dessen Machtbereich der Bau einer Atombombe vermutet wird.

Doch warum untersage ich mir, jenes andere Land beim Namen zu nennen, in dem seit Jahren – wenn auch geheimgehalten – ein wachsend nukleares Potential verfügbar aber außer Kontrolle, weil keiner Prüfung zugänglich ist?
Das allgemeine Verschweigen dieses Tatbestandes, dem sich mein Schweigen untergeordnet hat, empfinde ich als belastende Lüge und Zwang, der Strafe in Aussicht stellt, sobald er mißachtet wird; das Verdikt „Antisemitismus“ ist geläufig.



Jetzt aber, weil aus meinem Land, das von ureigenen Verbrechen, die ohne Vergleich sind, Mal um Mal eingeholt und zur Rede gestellt wird, wiederum und rein geschäftsmäßig, wenn auch mit flinker Lippe als Wiedergutmachung deklariert, ein weiteres U-Boot nach Israel geliefert werden soll, dessen Spezialität darin besteht, allesvernichtende Sprengköpfe dorthin lenken zu können, wo die Existenz einer einzigen Atombombe unbewiesen ist, doch als Befürchtung von Beweiskraft sein will, sage ich, was gesagt werden muß.

Warum aber schwieg ich bislang? Weil ich meinte, meine Herkunft, die von nie zu tilgendem Makel behaftet ist, verbiete, diese Tatsache als ausgesprochene Wahrheit dem Land Israel, dem ich verbunden bin und bleiben will, zuzumuten.

Warum sage ich jetzt erst, gealtert und mit letzter Tinte: Die Atommacht Israel gefährdet den ohnehin brüchigen Weltfrieden? Weil gesagt werden muß, was schon morgen zu spät sein könnte; auch weil wir – als Deutsche belastet genug – Zulieferer eines Verbrechens werden könnten, das voraussehbar ist, weshalb unsere Mitschuld durch keine der üblichen Ausreden zu tilgen wäre.

Und zugegeben: ich schweige nicht mehr, weil ich der Heuchelei des Westens überdrüssig bin; zudem ist zu hoffen, es mögen sich viele vom Schweigen befreien, den Verursacher der erkennbaren Gefahr zum Verzicht auf Gewalt auffordern und gleichfalls darauf bestehen, daß eine unbehinderte und permanente Kontrolle des israelischen atomaren Potentials und der iranischen Atomanlagen durch eine internationale Instanz von den Regierungen beider Länder zugelassen wird.


Nur so ist allen, den Israelis und Palästinensern, mehr noch, allen Menschen, die in dieser vom Wahn okkupierten Region dicht bei dicht verfeindet leben und letztlich auch uns zu helfen.“ 
...
„Was gesagt werden muss“: Das umstrittene Israel-Gedicht von Günter Grass im Wortlaut - weiter lesen auf FOCUS Online: http://www.focus.de/kultur/buecher/was-gesagt-werden-muss-das-umstrittene-gedicht-von-guenter-grass-im-wortlaut_aid_732817.html